Artikel Alfred Eimers 2017 - Heimatverein Darfeld

Direkt zum Seiteninhalt
Haus der Wissenschaft in Darfeld
Ein offenes Ausstellungsgebäude für moderne Heimatkunde
von Alfred Eimers

(Artikel für die Zeitschrift Heimatkunde in Westfalen)

Der letzte Zug hielt 1984 im Rosendahler Ortsteil Darfeld. Nach Leerstand und Verfall erlebt das Bahnhofsgebäude jetzt eine Renaissance als „Heimat- und Kulturbahnhof Darfeld“ und wird für Lesungen, Vorführungen, Ausstellungen und alle Aktivitäten des örtlichen Heimatvereins genutzt.

Im Jahr 2007 hatten sich die Kreise Steinfurt und Coesfeld entschlossen, die stillgelegte Bahntrasse von Rheine bis Lutum als „Radbahn Münsterland“ zu aktivieren. Ein touristischer Höhepunkt sollte der Bahnhof Darfeld werden. Im dritten Bauabschnitt in den Jahren 2009 bis 2011 erreichten die Radwegarbeiten von Steinfurt kommend in Rosendahl das Gebiet des Kreises Coesfeld. Bürger Darfelds, die sich kurz zuvor in der Bürgerinitiative „Ideen für Darfeld“ zusammengefunden hatten, erkannten eine einmalige Gelegenheit. Unterstützt von den politischen Gremien planten sie einen sogenannten „Generationenpark“. Großzügig gefördert als LEADERProjekt entstand unter mehrjährigem Einsatz vieler ehrenamtlich tätiger Darfelder ein Freizeitgelände, das inzwischen ein beliebter Treffpunkt für Radtouristen ist. Ebenso, und das ist beinahe wichtiger, wurde der einstige Verkehrspunkt Bahnhof wieder Teil des Dorflebens. Durch das im Bahnhof vom Heimatverein betriebene Café und viele Aktivitäten im Innen- und Außenbereich ist immer etwas los!

Mitten im Park steht ein kleines Fachwerkhaus, ein Geschenk von Dr. Karl-Wilhelm Stell und seiner KASTELL-Stiftung. Es ist der Prototyp eines Gebäudebaukasten, ursprünglich gedacht für den humanitären Einsatz in Entwicklungsländern. Mit einfachstem Werkzeug lassen sich die genormten Fachwerkelemente ineinanderfügen. Die Ausfachungen werden dann mit ortsüblichen Materialien vorgenommen. In Darfeld verwendete man aus Lehm geformte Mauersteine, die in ehrenamtlicher Eigenleistung ausgemauert wurden.

Es war im Februar 2011, als die Arbeitsstelle Forschungstransfer (AFO) der Westfälischen Wilhelmsuniversität Münster (WWU) ihre „Expedition Münsterland“ nach Darfeld führte. Aus dem westlichen Münsterland waren 1944/45 die berüchtigten V1- und V2-Raketen abgeschossen worden. Am Darfelder Bahnhof wurden die Raketen umgeschlagen und per Tieflader zu den umliegenden Abschussplattformen gefahren. In einem eintägigen internationalen Symposium verdeutlichte die AFO dieses dunkle Kapitel deutscher Geschichte.

Die Uni-Mitarbeiter wurden in diesem Zusammenhang auf das im Bau befindliche und von den Einheimischen skeptisch als „Lehmhaus“ bezeichnete Gebäude aufmerksam. AFO-Leiter Dr. Wilhelm Bauhus erkannte nicht nur das Potenzial des Hauses an der künftig stark frequentierten Radbahn, sondern auch die Tatkraft der Darfelder. Es war der Startpunkt eines lebendigen Ausstellungsreigens im nun unter dem Namen „Haus der Wissenschaft“ firmierenden Lehmhaus.

Den Anfang machte 2013 ein geologisch-wirtschaftliches Thema. Unter dem Titel „Dallas? Darfeld! – Asphalt im Münsterland“ wurde im Frühjahr die erste Ausstellung eröffnet. Kohlenwasserstoffvorkommen, die bis heute die Herzen multinationaler Konzerne höherschlagen lassen, waren schon in fürstbischöflicher Zeit als Pech entdeckt worden. Das Darfelder Bergwerk „Kronprinz Friedrich“ lieferte um 1840 Teer nach Berlin, wo ein Stück Straße vor dem heutigen Bundesbauministerium geteert wurde und damals als das Straßenbaumaterial der Zukunft gefeiert wurde. Im Zweiten Weltkrieg wurde hier nach Öl gebohrt und heute ist Gas-Fracking im Gespräch.

Die zweite Ausstellung 2014 beschäftigte sich ebenfalls mit einem geologischen Thema, den „Quellen der Baumberge“. Die kleine Bergformation erhebt sich quasi über einer wasserundurchlässigen „Schüssel“ mit umlaufenden Rand. An dieser, auf ca. 110 bis 120 Höhenmetern gelegenen Linie entspringen ringsherum Vechte, Berkel, Dinkel, Stever und Aa. In der Ausstellung konnten Besucher ein Landschaftsmodell mit Wasser befüllen und den Ablauf beobachten; eine „Hörquelle“ beschallte die „Quellenlounge“ mit eigens komponierter Musik und Gedichten. Die Präparatoren des Geomuseums der WWU steuerten vergrößerte Modelle von Kleinstlebewesen bei. An einer Mikroskopierstation konnten eigene Versuche vorgenommen werden.

Im dritten Jahr, 2015, wurden Fotos einiger Zielorte der „Expedition Münsterland“ gezeigt. Hier spielten auch die oben erwähnten Abschussplattformen der V2-Raketen wieder eine Rolle, aber auch technisch und geologisch interessante, heute beinahe vergessene Orte der Umgebung.

2016 sah das Haus eine Ausstellung über das einstige Zisterzienserkloster Klein Burlo, ehemals etwas nördlich von Darfeld gelegen. 1803 säkularisiert und beinahe komplett dem Erdboden gleichgemacht, widmete sich die Schau den verstreuten Resten und durch modernste berührungslosen Untersuchungsmethoden auch den im Boden befindlichen Grundmauern. Die „Hörquelle“ der Quellenausstellung erzeugte nun die Imagination eines Kirchenraums mit Chorgestühl.

In diesem Jahr werden „Mathe-Brücken im Münsterland“ im Haus der Wissenschaft zu sehen sein – ein Projekt des Instituts für die Didaktik der Mathematik und Informatik der WWU. Es wird erneut eine Ausstellung zum Mitmachen sein: Zu jeder vorgestellten Brücke gibt es Matheaufgaben zum Tüfteln.
Auf eine jetzt fast fünfjährige Ausstellungstätigkeit zurückblickend, darf man feststellen, dass die Einwohner Darfelds und die WWU Münster das Geschenk der KASTELL-Stiftung angenommen haben und es genutzt wird. Das „Haus der Wissenschaft“ wird von 2.000 bis 3.000 Besuchern jedes Jahr angesteuert. Das Haus der Wissenschaft, die Zusammenarbeit mit der Universität und die Ausstellungen sind inzwischen überregional bekannt.

Zurück zum Seiteninhalt